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9 Tipps für stärkende Lebensgestaltung in herausfordernden Zeiten

31.03.2020 / Dipl. Psych. Kerstin Härer

Wie kann ich mich selbst psychisch wie physisch wirkungsvoll und leicht umsetzbar in herausfordernden Zeiten so unterstützen, dass ich möglichst gesund und gestärkt aus dieser Ausnahmesituation herausgehe?

So gestaltet und wissenschaftlich gestützt sollen diese Anregungen sein, damit diese von uns Menschen nutzenstiftend sowohl im Alltag als auch in besonderen Lebenslagen wie z.B. Krisen, Notfallsituationen, direkt und einfach umgesetzt werden können.

1) Struktur und Rhythmus in den Tag bringen
schafft Orientierung und unterstützt das eigene Kontrollerleben. Routinen und Rituale geben uns Halt im Leben, z.B. durch regelmäßige Essens- und Schlafenszeiten, Abwechslung von Schaffens- und Ruhephasen, online und offline Zeiten vereinbaren, dabei sich bestimmte Zeitlimits setzen zu Themen rund um das aktuelle als belastend erlebte Ereignis, und natürlich seinen Kindern die Gute-Nacht-Geschichte jeden Abend erzählen.

2) Sich ein bis zwei erreichbare Ziele für jeden Tag setzen
und diese bewusst und möglichst auch visuell „abhaken“ sobald erledigt. Auch das erhöht das persönliche Kontrollerleben sowie das für die psychische Gesundheit so wichtige Gefühl der Selbstwirksamkeit um wieder zu mehr Stabilität zu gelangen.
Am Abend vor dem Schlafengehen nochmals Rückschau halten, was ich heute erledigt habe.

3) Stärken- und Ressourcenorientierung
• Welche schwierigen Zeiten in meinem Leben habe ich bereits erfolgreich gemeistert?
• Wie und mit welchen Ressourcen und Handlungen habe ich dies hinbekommen?
• Was liefert mir besonders viel Energie für den heutigen Tag?
• Auf was freue ich mich in der Zukunft (wieder) zu tun?
Diese Fragen liefern unmittelbar wichtige und unterstützende Hinweise, um sich wieder seine Stärken und Ressourcen bewusst zu machen und auch wieder einen weiteren Blick auf die Gesamtsituation mit seinen Möglichkeiten zu bekommen. Dies ist gerade in Zeiten erhöhter Unsicherheit besonders wichtig, da wir uns als Menschen hier zunächst vor allem auf die akute Gefahr fokussieren und wir die Aspekte auf die Gestaltung von Lösungsoptionen, hilfreichen Möglichkeiten selbst wirksam zu werden eher ausblenden. Um wieder zu mehr Zuversicht und konstruktiven Umgang mit der Situation zu gelangen ist gerade das Bewusstmachen und Anwenden der eigenen Stärken und Ressourcen zentral.
Welche persönlichen Stärken machen mich aus? Sich dies täglich morgens überlegen und sich bildlich ausmalen: Welche Stärke werde ich heute wofür nutzenstiftend anwenden?

4) Aufrechte zentrierte Körperhaltung, bewusste Atmung, regelmäßige Bewegung
wenn möglich im Grünen, in der Natur
Dies kann Laufen, Schwimmen, Spazierengehen, Qi Gong, Yoga, etc. sein. Hier ist Regelmäßigkeit wirkungsvoller als die Dauer der Ausübung. Lieber öfter, z.B. 3x pro Woche 20 Minuten als 1x im Monat 1 Stunde am Stück sich bewegen. Bewegung hilft dabei Stresshormone besser abzubauen (sh. Literatur „Warum Zebras kein Magengeschwür bekommen“), und hat positive Wirkung auf psychische Ausgeglichenheit, Resilienz und Zuversicht.
Eine aufgerichtete und zentrierte Körperhaltung sendet über neuronale Bahnen stärkende Signale in das Gehirn, so dass man der Situation mit mehr Zuversicht, Selbstvertrauen und Lösungsorientierung begegnen kann.
Eine tiefe und langsamere Atmung, insbesondere längere Ausatmung, beeinflusst unmittelbar unser Situationserleben in positive Richtung, da hierdurch der Parasympathikus, unser Regenerationsnerv, aktiviert wird und für den notwendigen Ausgleich sorgt.

5) Positive Beziehungen pflegen
und Abstand nehmen von „Energieräubern“: schafft den Aufbau von Vertrauen in sich, in andere und in die Welt, dass es auch wieder gut weitergehen kann. Sich mit anderen Menschen zu verbinden und auszutauschen verhilft auch die Situation aus einer weiteren Perspektive und mit etwas mehr Abstand zu betrachten, was wiederum zur Erleichterung des Erlebens und zur Lösungsfindung beitragen kann.
Unterstützende und tragfähige Kontakte sind das beste Gegenmittel in stressreichen Situationen und Krisen.

6) „Small acts of kindness“
Jeder kann etwas gut, das er positiv beitragen kann.
Was fällt mir leicht, worin bin ich gut, was macht mir selber viel Freude zu tun, dies sind wichtige Hinweise auf persönliche Stärken und Ressourcen (sh. Punkt 3), die ich sowohl für die eigene konstruktive Stressbewältigung nutzen kann als auch diese für andere einzusetzen, um deren Leben leichter und schöner zu machen.

7) Sinnerleben und Zukunftsorientierung
Was kann ich aus den Ereignissen für meinen weiteren Lebens- und Entwicklungsweg lernen? Auf was freue ich mich besonders in der Zukunft wieder tun zu können?
Hierdurch erweitert sich wieder aktiv der eigene Blick in Richtung wünschenswerte Zukunft und die eigenen zentralen Werte und Intention werden wieder bewusst wahrgenommen.
Sich möglichst mit allen Sinnen vorstellen, auf was man sich nach der überwundenen Krise wieder freut und wieder unternehmen kann, wie z.B. das erste Mal wieder zum Baden zu gehen und das Wasser auf der Haut zu spüren, sich mit Freunden an einem warmen Sommerabend im Biergarten treffen.

8) Achtsamkeit für kleine positive Ereignisse in der Gegenwart
Die ersten Blumen im Frühling entdecken und mit möglichst vielen Sinnen wahrnehmen, z.B. die bunten Farben einer Blumenwiese, der angenehme Geruch im Frühling, das wärmende Gefühl der Sonne auf der Haut, wohlklingende Musik, die erste Tasse Tee oder Kaffee am Morgen bewusst und in vollen Zügen genießen.
Dies unterstützt dabei wahrzunehmen und dadurch auch wieder bewusst zu schätzen was selbst in schwierigen Lagen noch da ist, wie z.B. eigene Gesundheit, Freunde, Familienmitglieder, Beruf, Nahrungsmittel, Natur.

Wichtigster und vielleicht wirkungsvollster Tipp zum Schluss:
9) Weniger ist mehr: Take it easy but take it
Sich den für sich ansprechendsten und wirkungsvollsten Tipp raussuchen und davon nur 5% täglich umsetzen wollen, setzt häufig mehr in Gang als alle Tipps sofort anwenden zu wollen.
Vielleicht dafür noch einen persönlichen „selbstentwickelten Erinnerungswecker“ schaffen, z.B. Smart Phone Timer aktivieren, Erinnerungssymbol oder Bild für den jeweiligen Tipp, der uns an die regelmäßige Anwendung von Zeit zu Zeit wieder erinnert.

Beitrag von Dipl.-Psych. Kerstin Härer, 30. März 2020